Vortrag im Rahmen der Tagung der Gesellschaft für
Wirtschaftswissenschaften und Ethik e.V. vom 5.- 8. November 2009 in Bad
Blankenburg (Thüringen)
Generalthema der Tagung:
Krise der Weltwirtschaft. Zurück zur Sozialen Marktwirtschaft und die ethischen
Herausforderungen auf dem Wege dorthin.
Inhalt:
1. Die Notwendigkeit der Staatseinnahmen
2. Die Begründung der Abgabebereitschaft von
finanziellen Mitteln
3. Die Höhe
der Abgaben und die Abgabeverteilung in Deutschland
4. Vorschlag
einer radikalen Reform des Abgabensystems
1. Die Notwendigkeit der Staatseinnahmen
Für die
Bewältigung der noch andauernden Finanz- und Wirtschaftskrise, die im letzten
Jahr spürbar ausbrach, wurden und werden weltweit öffentliche Finanzgarantien
und Finanzmitteln in Billionen € Höhe verwendet, die, meines Erachtens, in
diesem Ausmaß, eine Novität in der Wirtschaftsgeschichte der Menschheit
darstellen. Dieser - von der Sache her - notwendige staatliche finanzielle
Einsatz, erlaubt dennoch, die Frage nach der Herkunft der Finanzmittel zu
stellen. Auch die seit Jahren andauernde Diskussion in Deutschland über die
Ausgewogenheit des Abgabensystems und über das Ausmaß der Staatsverschuldung,
erhält durch die gegenwärtige Finanzkrise, die enorme finanzielle Mittel
abverlangt, eine zusätzliche Bedeutung und Schärfe. Bevor ich eine Antwort auf
die konkrete Frage meines Themas liefere, nämlich, wer die staatlichen Ausgaben
finanziert, möchte ich vorher die Frage über die Notwendigkeit der
Staatsausgaben kurz stellen und erläutern.
Ein
Gemeinwesen braucht finanzielle Mittel, um seine Organisation bzw. seine
Existenz zu finanzieren. Das Regierungssystem, die Verwaltungen, die Justiz,
der diplomatische Dienst, das Militär, die Bildung, das Polizeiwesen, die
Infrastruktur etc., also die primären Aufgaben des Staates, erfordern Beträge
in Milliarden Höhe. Dazu kommen noch die zusätzlichen Milliarden, die der Staat
im Rahmen seiner Sozialpolitik ausgeben muss. Alle diese Mittel müssen die
Bürger dieses Gemeinwesens aufbringen. Ist dieses Gemeinwesen parlamentarisch
demokratisch und sozialstaatlich organisiert, dann bestimmen direkt und
indirekt die Bürger über die Notwendigkeit, über die Höhe und über die Träger
dieser finanziellen Lasten. Man kann davon ausgehen, dass je mehr Information
und Aufklärung, je mehr Transparenz und Gerechtigkeit es bei der Begründung
dieser Notwendigkeiten gibt, um so höher wird die Bereitschaft der Bürger sein,
diese Lasten nach ihren Leistungsfähigkeiten mitzutragen.
Geschieht
dies nicht, dann wird bei den Bürgern Misstrauen, Abwehrhaltung und eine erhebliche
Minderung ihrer Bereitschaft entstehen, diese erforderlichen Mittel dem Staat
zur Verfügung zu stellen. Allerdings ist diese so allgemein abgeleitete
Bereitschaft, selbst wenn auch die an-gesprochenen positiven Bedingungen
gelten, nicht bei allen Menschen gleich.
2. Die Begründung der Abgabebereitschaft von finanziellen
Mitteln
Die Ökonomen
versuchen die unterschiedlichen Verhaltensweisen der Menschen im Zusammenhang
mit ihrer Bereitschaft dem Staat finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen,
aus der Existenz zweier Axiome abzuleiten, die nach ihrer Meinung bei allen
Menschen gelten.
Erstens,
jeder Mensch, wenn man von manchen krankhaften Ausnahmen absieht, betrachtet
sein eigenes irdisches Leben als sein höchstes Gut.
Zweitens, bei jedem
Mensch besitzt die Realisierung seiner eigenen persönlichen Interessen in der
Gesellschaft, die erste Priorität. Jeder handelt also nach dem Motto: erst ich
und dann die anderen. Daraus lässt sich – zunächst allgemein - das kollektive
Verhalten aller Menschen ableiten.
Würde
beispielsweise jemand auf der Basis dieser Axiomen vor der freiwilligen Entscheidung
stehen, 100 €, die er selber erwirtschaftet hat, zwischen sich und einem
anderen Menschen außerhalb seines familiären Kreises aufzuteilen, dann wird er
sich zwischen zwei extremen Verhalten bewegen. Entweder er wird alle 100 € für
sich behalten, oder er wird maximal 50 € abgeben. Wie tatsächlich die
Aufteilung vorgenommen wird, hängt von einer Reihe spezieller Einflussfaktoren
ab, die sein tatsächliches Verhalten leiten. In den Gesellschaftswissenschaften
unterscheidet man in diesem Zusammenhang zwischen informellen und formellen Einflussfaktoren, die das Verhalten der
Menschen in der Gesellschaft allgemein beeinflussen.
Zu den informellen Einflussfaktoren gehört all
das, was man mit dem Begriff Kultur umfasst. Darunter gehören die
Volkszugehörigkeit, die gemeinsame Geschichte, die gemeinsame Sprache, die
Religionsgemeinschaft, die Erziehung, die Bildung und Ausbildung und nicht
zuletzt die Gene. Man spricht auch von positiven oder negativen Pfadabhängigkeiten,
die daraus resultieren. Alle diese Faktoren prägen die Charaktereigenschaften
des einzelnen Menschen, die sein freiwilliges Verhalten gegenüber seinen
Mitmenschen bestimmen. Von diesen Charaktereigenschaften hängt auch das
moralisch ethische und somit das quasi spontane Verhalten der Menschen
gegenüber ihren Mitmenschen in der Gesellschaft ab. Davon hängt es auch ab, ob
in der Gesellschaft eine selbstgesteuerte soziale und politische Stabilität
(friedliche Koexistenz) entsteht.
Um bei
meinem Zahlenbeispiel zu bleiben, würden die Menschen von ihren 100 €
freiwillig bereit sein, z.B. 30 € abzugeben, dann wird vermutlich diese Gesellschaft,
ohne exogenen Zwang, automatisch sozial und politisch stabil sein. Da wir aber
in allen Gesellschaften auch und vor allem formelle Ordnungsregeln haben, die
gesetzlich verankert werden, ist dies ein Beweis dafür, dass für das Erreichen
der gesellschaftlichen Stabilität die informellen Regeln allein nicht
ausreichen. Insofern scheint die alte ordoliberale Auffassung zu gelten, dass
ein stabiles gesellschaftliches Leben der Menschen vorwiegend ordnungsbedingt
ist. Allerdings für die Wirtschaftswissenschaftler, die mit der Bewältigung des
materiellen Knappheitsproblems zu tun haben, können möglicherweise die
eingesetzten Ordnungsregeln ein Effizienzproblem aufwerfen. Dies hängt mit der
oben angenommenen Gültigkeit der zwei Axiome zusammen. Daher ist es
erforderlich, dass der eingesetzte Ordnungsrahmen möglichst zweierlei Wirkungen
hervorruft.
Einerseits
soll er die Dynamik, die Innovationskraft und damit die wachsende Produktivität
der in der Gesellschaft handelnden Akteure, die für die permanente
Relativierung des allgemein geltenden Knappheitsproblems sorgen, fördern.
Andererseits
soll er nicht unsozial wirken, um die Gefahr der Entstehung von instabilen sozialen
und politischen Entwicklungen zu minimieren, die die Leistungsbereitschaft der
Akteure gefährden könnten. Mit anderen Worten, der Ordnungsrahmen soll die
Handlungsfreiheit der Akteure dort einschränken, wo sie unsozial in der
Gesellschaft zu wirken beginnt.
Für die
Erreichung dieser Ergebnisse hatte man in der Bundesrepublik Deutschland nach
dem zweiten Weltkrieg die glorreiche Idee der Einführung der Sozialen Marktwirtschaft,
die eine Kombination vom Subsidiaritäts-
und Solidaritätsprinzip darstellt. Die Begriffe Markt und Sozial haben in diesem Ordnungssystem eine
gleichgewichtige Bedeutung. Der Begriff Markt steht für die wirtschaftliche
Freiheit und wirtschaftliche Leistung der Akteure. Die wirtschaftliche Freiheit
und wirtschaftliche Leistung besteht:
Erstens in der
Freiheit der Verbraucher, Güter nach beliebiger Wahl aus dem Sozialprodukt zu
kaufen, es besteht also Konsumfreiheit.
Zweitens in der
Freiheit der Eigentümer ihre Ideen, ihre Arbeitskraft, ihr Geld, ihre Sachgüter
und unternehmerischen Fähigkeiten nach eigener Wahl einzusetzen.
Drittens
in der Freiheit der Unternehmer, Güter eigener Wahl zu produzieren und abzusetzen
und viertens in der Freiheit aller Akteure, Güter und Dienstleistungen kaufen
und verkaufen zu können (Wettbewerbsfreiheit). Ihre Grenzen finden diese
Freiheitsrechte dort, wo die Rechte Dritter, die verfassungsmäßige Ordnung oder
das Sittengesetz verletzt werden (Art.2 GG).
Der Begriff ”sozial”
sollte folgendes zum Ausdruck bringen:
Erstens, dass die
Marktwirtschaft allein durch ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, und durch
die Gewährung wirtschaftliche Freiheitsrechte für alle, einen sozialen Charakter
in sich trägt. Damit schafft sie die wirtschaftlichen und sozialen Voraussetzungen
für die Realisierung eines Wohlstandes für alle.
Zweitens, dass die
Marktfreiheit aus sozialen Gründen dort beschränkt werden sollte, wo sie für
die Mehrheit der Menschen sozial unerwünschte Ergebnisse hat und deshalb aus gesellschaftspolitischen
Gründen korrigiert werden müssen. Solche Korrekturen finden durch politische
Umverteilungen der Marktergebnisse statt. Die politischen Korrekturen sind
gesellschaftlich notwendig, weil es einmal im Rahmen des Marktsystems Marktversagen
gibt, wie anormale Reaktionen am Arbeitsmarkt, nicht automatische Berücksichtigung
der Umweltgüter, Entstehung von Monopolmacht etc. All dies verhindert die leistungsgerechte
Verteilung der Einkommen und der Kosten und bedarf daher der politischen
Korrektur. Zum anderen das Allokationssystem des Marktes lässt fast die Hälfte
der Menschen in der Gesellschaft unberücksichtigt. Dies betrifft die Kinder,
die Kranken, die Alten und die Arbeitslosen. Deshalb ist im Rahmen einer Sozialen
Marktwirtschaft der Staat verpflichtet durch Sozialpolitik, Umverteilungen vorzunehmen,
um diesem Teil der Bevölkerung existentiell zu sichern und damit diesen
Menschen die Möglichkeit zu geben, sich über die Verwendung ihres Transfereinkommens
am Marktsystem zu beteiligen. MÜLLER-ARMACK der Schöpfer des Begriffes Soziale
Marktwirtschaft definiert sie wie folgt: Sie ist eine ordnungspolitische Idee,
die auf der Basis des Wettbewerbs, die freie Initiative mit einem durch die
marktwirtschaftliche Leistung gesicherten sozialen Fortschritt verbindet. Auf
der Grundlage einer solchen marktwirtschaftlichen Ordnung kann ein vielgestaltiges
und vollständiges System sozialen Schutzes für alle Menschen errichtet werden.
In der heutigen Diskussion hat man Zweifel, ob die praktizierte Art der Sozialen
Marktwirtschaft in der BRD den Intentionen ihrer Väter (insbesondere Ludwig
Erhard und Alfred Müller-Armack) entspricht. Unternehmerverbände, Gewerkschaften,
Parteien, Regierung, Opposition, Wissenschaftler sowie soziale Verbände haben
unterschiedliche Vorstellungen, wie im Zeitalter der Globalisierung die
konkrete Ausgestaltung der Sozialen Marktwirtschaft sein soll.
Über die
besonderen Charakteristika der Sozialen Marktwirtschaft ist man mehr oder
weniger einig. Diese allgemein akzeptierten Charakteristika sind:
Erstens,
in der Sozialen Marktwirtschaft sollen grundsätzlich die Wirkungen der Marktpreismechanismen
durch politische Einflüsse nicht beeinträchtigt werden. Sie sind erforderlich,
um optimale Lösungen des Allokations-, des Leistungs-, des Verteilungs- und des
Macht- bzw. des Interessenausgleichsproblems zu bewirken.
Zweitens,
wirtschaftspolitische Eingriffe des Staates zugunsten wirtschaftlich Schwacher
sind notwendig und müssen systembedingt möglich sein. Die Sozial- und die Steuergesetzgebung
müsste deshalb viele Bereiche die darunter fallen nicht nur berücksichtigen,
sondern auch wirtschaftlich wie sozial optimal gestalten. Das Letztere betrifft
unmittelbar mein Thema. Die Sozial- und allgemein die Abgabepolitik des Staates
wird von den Bürgern in der Sozialen Marktwirtschaft ohne Leistungsverweigerung
akzeptiert, wenn die Bürger der Meinung sind, dass die Einnahmenpolitik des
Staates leistungsgerecht vor sich geht. Gerade dies scheint in Deutschland in
den letzten Jahren nicht der Fall zu sein. Nur wenigen Leuten ist meines Erachtens
bewusst, wie sehr sich die Kluft zwischen den sehr Reichen und dem Rest der Menschen
innerhalb relativ kurzer Zeit verbreitert hat. Wer sich mit diesem Thema beschäftigt,
setzt sich unweigerlich dem Verdacht aus, „Klassenkampf“ oder eine „Politik des
Neides“ zu betreiben. Und nur wenige Leute sind tatsächlich willens, über die
weitgehenden Auswirkungen dieser sich immer weiter öffnenden Schere zu sprechen
– ökonomische, soziale und politische Auswirkungen werden die Folgen sein.
3. Die Höhe der Abgaben und die Abgabeverteilung
in Deutschland
Nach Angaben
des Statistischen Bundesamtes wurden im Jahr 2008 in Deutschland insgesamt
561,2 Milliarden € (ca. je zur Hälfte als direkte und indirekte Steuern) sowie
480,0 Milliarden € Sozialversicherungsbeiträge von Staatlichen Trägern
eingenommen (insgesamt 1.041,2 Mrd.). Diese Abgaben machten 41,7% des
Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus. Die Gesamtleistungen des Sozialbudgets
insgesamt beliefen sich 2007 für Deutschland auf rund 707 Milliarden Euro. Die
Sozialleistungsquote, das Verhältnis dieser Sozialleistungen zum Bruttoinlandsprodukt,
betrug 2007 für Deutschland 29,2 %. Nach Ermittlungen des Statistischen Bundesamtes
gab es im Jahre 2004 (leider gibt es noch keine neueren Zahlen) 35 Millionen
Steuerpflichtige. 26,8 % oder 9,4 Millionen der Steuerpflichtigen haben 79,6 %
der Lohn- und Einkommenssteuer bezahlt. Die Jahreseinkünfte dieser Gruppe
betrugen mindestens 37.500 € (3.125 € monatlich). 8,3 % bzw. 2,9 Millionen
davon hatten Jahreseinkommen von mehr als 66.200 € und zahlten ca. 50% der
Lohn- und Einkommenssteuer.
Die Hälfte
aller Zahler, 17,5 Millionen, hatten Jahreseinkünfte von weniger als 23.000 €
und trugen nur 4,0% zum Lohn- und Einkommenssteueraufkommen bei. 10,1 Millionen
oder 28,8% erzielten Gesamteinkünfte von maximal 10.000 Euro. Diese waren zum
größten Teil Lohn- und Einkommenssteuerfrei. Diese Einkommen wurden allerdings
fast vollständig von den indirekten Steuern und von den Sozialabgaben
betroffen. Unter den Spitzenverdienern des Jahres 2004 waren immerhin 9.688 Euro
- Millionäre mit Durchschnittseinkünften von 2,7 Millionen Euro. Sie stellten
0,03 Prozent aller Steuerpflichtigen. Von ihnen zahlte jeder im Durchschnitt
968.000 Euro Einkommensteuer. Für das Jahr 2004 wurde ermittelt, dass 10% der
Steuerpflichtigen 54,3% der Lohn- und Einkommenssteuer bezahlt haben. Zur
diesen Gruppe gehörten alle diejenigen, die über 61.300 € Jahreseinkünfte hatten.
Auf das oberste Prozent der Einkommensreichsten (Einkommen von über 150 600 €)
entfielen 21,2% der Einkommensteuer. Die indirekten Steuern und die Sozialen
Beiträgen werden allerdings überproportional von den niedrigeren Einkommensbeziehern
getragen.
4. Vorschlag einer radikalen Reform des
Abgabensystems
Seit Jahren
findet eine intensive und kritische Diskussion über die wirtschafts- und
sozialpolitischen Wirkungen der bestehenden Steuer- und Abgabensysteme statt.
Viele Bestandteile dieser Abgabensysteme werden in vielerlei Hinsicht
kritisiert. Vor allem werden ihre Unübersichtlichkeit und ihre Ungerechtigkeit
angesprochen. In den letzten Jahren kamen die Unzulänglichkeiten bei der
Finanzierung der Sozialsicherungssysteme hinzu. Es wird immer wieder eine
Steuervereinfachung angemahnt, die meines Erachtens, wenn sie im Rahmen des
bestehenden Steuer- und Abgabesystems stattfindet, zur Erhöhung der bestehenden
Ungerechtigkeiten hinsichtlich der Verteilung der Abgabelasten führen wird.
Tatsächlich ist es heute so, dass man sich ohne professionelle Hilfe mit den
verschiedenen Steuer- und Abgabenarten sowie Steuervorschriften nicht zu Recht
findet. Auch die zurzeit über 1.041 Mrd. € Steuer- und Sozialabgaben (41,7%
{2.495,8 Mrd. €} des BIP, 2008), die die Bürger an den Staat und an die
sozialen Einrichtungen zahlen, werden nicht nach der Leistungsfähigkeit der
Leistungsträger verteilt. Dies basiert auf der Tatsache, dass zum Einen im
Rahmen des bestehenden Steuersystems etwa die Hälfte des Steueraufkommens (ca.
280 Mrd. €, 2008) aus indirekten Steuern resultiert, und zum Anderen im Rahmen
des Sozialsystems ein großer Teil der Einkommen nicht für die Finanzierung der
Sozialsicherungssysteme berücksichtigt wird.
Diese
unsolidarischen Tatbestände werden zwar als ungerecht empfunden, sind aber kaum
Gegenstand der öffentlichen politischen Diskussion. Damit werden die niedrigen
Einkommen voll von den indirekten Steuern betroffen, während die hohen
Einkommen nur zum Teil für die indirekten Steuern infrage kommen.
Die
Ungerechtigkeit besteht also darin, dass jeder Verbraucher unabhängig von der
Höhe seines Einkommens mit einem annähernd gleichen indirekten Steuerbetrag
belastet wird. Die prozentuale Steuerbelastung ist somit bei kleinen Einkommen
größer als bei höheren und bei kinderreichen Familien stärker als bei kinderlosen
Ehepaaren oder Ledigen.
Diese
Wirkung der indirekten Steuern wird als „Regression" bezeichnet und wurde
bis heute als antisozial empfunden. Ähnliches gilt bei die Sozialabgaben, die
nicht die gesamte Höhe der Einkommen, sondern in Höhe der jährlich festgelegten
Bemessungsgrenzen des Arbeitseinkommens, belasten.
Diese
Abgabepolitik führt dazu, dass die Niedrigeinkommensbezieher überproportional
zu Staatseinnahmen beitragen. Nach einer Untersuchung der OECD liegt die Abgabequote
in Deutschland für einen Einzelverdiener mit 110.000 Euro Jahresgehalt genau so
hoch wie für einen Arbeitnehmer mit 36.500 Euro Jahresgehalt.
Würde man
auch die Pendlerpauschale und andere an besondere Voraussetzungen geknüpfte
Steuerfreibeträge berücksichtigen, wäre die Entlastung am oberen Ende der Einkommensskala
noch deutlicher. Abgesehen von der Gerechtigkeitsfrage wirkt sich diese Abgabepolitik
auch negativ auf viele Bereiche der Volkswirtschaft aus. Sie wirkt Wachstums-
und Beschäftigungshemmend, weil sie durch die indirekten Steuern und durch die
Sozialabgaben der Unternehmungen die Kosten der Produktion sowie die Preise der
Produkte erhöht und damit die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen
Wirtschaft beeinträchtigt.
Sie wirkt
auch konjunkturhemmend, weil sie die konsumfreudigeren Niedrigeinkommensbezieher
überproportional belastet. Hinzu kommt, dass diese Art der Abgabenpolitik die
Erhebungskosten der Abgaben durch Überbürokratisierung erhöht und eine
zusätzliche und teurere Sozial- sowie Subventionspolitik (Umverteilungspolitik)
notwendig macht.
Von allen
diesen angesprochenen negativen Folgen könnte man sich meines Erachtens befreien,
wenn eine radikale und zugleich einfache Reform des gesamten Abgabensystems
vorgenommen würde. Sie soll dahin führen, dass ihre Ergebnisse nicht nur dem
System der Sozialen Marktwirtschaft gerecht würden, sondern auch das ganze
Abgabensystem total transparent und für jeden nachvollziehbar wäre.
Gerecht
sein, bedeutet in diesem Zusammenhang, dass alle Leistungsträger und Transfereinkommensbezieher
gemäß ihrer Erwerbs-, Vermögens- und Transfereinkommen zu den Staatslasten
beitragen. Der folgende Vorschlag basiert zunächst auf der Annahme, dass die
Steuer- und sonstige Abgabebelastungen von gegenwärtig (2007) 950 Mrd. €
bestehen bleiben. Ob später diese Abgabenhöhe nach Einführung und Wirkung der
Reform notwendig ist, soll dann überprüft werden. Der Vorschlag lautet: -
Es werden
nur direkte Steuern erhoben, aus welchen sämtliche Staatsaufgaben
einschließlich aller Sozialsicherungssysteme finanziert werden.
- Die erste unmittelbare Folge ist, dass sich
die reale Kaufkraft aller Einkommensbezieher um die Höhe der einbehaltenen
indirekten Steuern erhöht. Bei Niedrigeinkommensbeziehern kann dies weit mehr
als 20% Erhöhung ihres realen Einkommens bedeuten.
- Es wird
ein jährlicher Steuer- und Abgabenfreibetrag in Höhe von 10.000 € pro Kopf gewährt,
welcher zugleich als Jahresbruttoeinkommen (Transferjahreseinkommen) allen Nichteinkommensbeziehern
gewährt wird. Sämtliche Transferzahlungen, wie Kindergeld, Wohngeld, Mutterschaftsgeld,
staatliche Hilfen zur Rentenversicherung, etc. fallen damit weg. - Das
jährliche Erwerbs- und Vermögenseinkommen, welches den Freibetrag von 10.000 €
überschreitet, wird bis zu 24.000 € mit 30%, die weiteren 24.000 € mit 40% und
alle weitere Einkommen mit 50% belastet. Alle Einkunftsarten der natürlichen
Personen werden hierfür herangezogen.
- Die Unternehmenssteuer für die ausgeschütteten
Gewinne soll 25% und für die nicht ausgeschütteten Gewinne 20% betragen. Sämtliche
sonstige Kapitalertragssteuern fallen weg.
- Jede Person
ist mit diesen Abgaben im Krankheits- und Pflegefall versichert. Bis drei Monate
im Jahr wird im Krankheitsfall das bisherige Einkommen gewährt.
- Im Falle
der Arbeitslosigkeit werden 70% des monatlichen Einkommens für ein Jahr gewährt,
wenn die betreffende Person mindestens zwei Jahre erwerbstätig gewesen ist. Ist
diese Person mehr als 10 Jahre erwerbstätig, verlängert sich der
Einkommensbezug um 6 Monate. Zwei Jahre Anspruch auf dieses Arbeitslosengeld
haben die Personen, die mindestens 30 Erwerbsjahre haben. Eine Arbeitslosenversicherung
ist damit nicht erforderlich.
- Die Höhe der Altersrente hängt von der
Zeitdauer und von der Höhe der gezahlten Abgaben ab. Ihre Höhe darf dabei 70%
des durchschnittlichen Einkommens der letzten 10 Erwerbsjahre bei einer vierzigjährigen
Erwerbstätigkeit nicht überschreiten, (jedes vollbeschäftigte Jahr bringt 1,75%
des durchschnittlichen Einkommens der letzten 10 mit Abgaben belasteten Erwerbsjahren
(40 Jahre x 1,75% = 70%). Die höchste Jahresaltersrente darf allerdings das Jahresgehalt
- beispielsweise des/der Bundeskanzlers/rin - nicht überschreiten.
- Für volljährige Personen die kein oder ein
geringeres Erwerbs- oder/und Vermögenseinkommen bzw. Jahresrente als 10.000 €
erzielen, wird eine jährliche Transferleistung bis zur Höhe des Steuerfreibetrages
(10.000 €) gewährt. Der Einkommensteil, der Transferzahlung, wird mit 30% besteuert.
Wegen der relativ hohen Wohnkosten sollte für Eine Person Haushalte ein Abgabensatz
von 15% gelten. Außer der Dynamisierung der Volkswirtschaft durch die enorme
Erhöhung der Realeinkommen, werden durch die vorgeschlagene Reform:
- keine
Sondersteuerregelungen mehr notwendig sein.
- Das
Steuerrecht und die Sozialabgaberegelungen werden sehr vereinfacht.
-
Rentenversicherungsträger und Pensionsregelungen für Beamten werden überflüssig.
- Es wird ein enormer Bürokratieabbau
stattfinden.
- Milliarden von Staatsausgaben werden eingespart.
- Mehrere Tausend Staatsbedienstete werden
frei und für den florierenden privaten Sektor zur Verfügung stehen. Allerdings
wird damit zu rechnen sein, dass die Steuerfandungsbehörde mehr und die
Politiker weniger Beschäftigung bekommen werden.