Dr. Spyridon Paraskevopoulos,
emeritierter Professor
der Wirtschaftswissenschaftlichen
Fakultät
der Universität Leipzig
Köln, 19. 10. 2013
Thesen und Antithesen zum Verhalten der
Deutschen in der Europäischen Union
- Thesen zum sozioökonomischen Verhalten
der Deutschen
- Die
Rolle der Deutschen bei der Entstehung und Gestaltung der EU
- Das Subsidiaritätsprinzip
- Das Solidaritätsprinzip
- Einige
Zwischenschlussfolgerungen
- Griechenland als Beispiel
- Gibt es noch Hoffnung
- Thesen zum sozioökonomischen Verhalten
der Deutschen
Trotz des Risikos,
von meinen griechischen Landsleuten als germanophil oder sogar als Deutscher und, noch schlimmer, als
naiv bezeichnet zu werden, werde ich im
Folgenden versuchen den Advocatus Diaboli zu spielen.
All
das, was ich von nicht deutschen Freunden,
Journalisten, Politikern und sogar Wissenschaftlern, insbesondere in den letzten drei Jahren, darüber
lese, sehe (siehe
Skizze in The Economist) und höre, wie
sich deutsche Politiker und deutsche Bürger innerhalb der EU verhalten, vermittelt
mir den folgenden Eindruck:
Ich,
der mehr als 52 Jahre integriert in Deutschland lebt, habe nicht mitbekommen,
dass die Nachkriegsdeutschen (führende Politiker und Bürger), die sogar zu ca.
50% noch nicht einmal deutscher Herkunft sind, nach wie vor
nicht aufgehört haben, Anhänger der imperialen Politik Bismarcks und Hitlers zu sein. Mit anderen Worten, sie
verfolgen immer noch die Realisierung einer deutschen Dominanz und Hegemonie in
Europa, wenn nicht sogar weltweit.
Und da sie dies mit zwei Weltkriegen nicht erreicht haben, versuchen
sie dies nun - und vor allem
nach ihrer Wiedervereinigung - durch ihre wirtschaftliche Stärke und Macht zu
vollenden.
Dies ist der erste Teil der Argumente und
der Behauptungen von Nicht-Deutschen, vor allem
der Süd-Europäer,
hinsichtlich des politischen Verhaltens der
Deutschen. Der zweite Teil ist für mich nicht nur
sehr unverständlich, sondern sogar
widersprüchlich.
Die gleichen
Leute, die die Deutschen hegemonialer Tendenzen in Europa beschuldigen, werfen
den Deutschen zugleich vor, dass sie keine Führungsposition in der EU übernehmen,
um die europäischen Ideen und Ziele weiter zu bringen. „Deutschland sollte mehr Führungsstärke in Europa zeigen“,
argumentiert die britische Wirtschaftszeitung Economist. Μit anderen
Worten, sie verlangen von den
Deutschen, die Rolle des politischen Führers
in der EU zu
übernehmen. Haben sie jemals daran gedacht,
was in Europa und
vor allem in Südeuropa
geschehen wird, wenn die Deutschen
tatsächlich
diese Rolle übernehmen würden?
Hier nun meine eigene
Einschätzung hinsichtlich
des wirtschaftlichen,
sozialen und politischen Verhaltens der Deutschen, wie ich es in der Nachkriegszeit während der 52 Jahre meines Aufenthaltes in Deutschland erlebt habe.
Ob es den
übrigen Europäern und insbesondere den Griechen gefällt oder nicht, wir haben
es im Falle der Deutschen nicht nur mit einem wirtschaftlich, sozial und
politisch starken, sondern vor allem mit einem "weisen" Volk zu tun.
Weise ist derjenige, der all das weiß, welches seinem intellektuellen,
schulischen und beruflichen Niveau entspricht. All dies reicht jedoch nicht
dafür aus, dass jemand ein Weiser ist, wenn er nicht zugleich den erforderlichen Verstand und die
entsprechende Lebenserfahrung besitzt, um sein Wissen einzuordnen, zu bewerten
und entsprechend umzusetzen. Und schließlich wird die Weisheit vollendet, wenn
gleichzeitig eine gewisse Intuition und ein wenig Emotion vorhanden sind.
Diese
Qualitäten von Weisheit, behaupte ich, sind mehr oder weniger alle bei fast allen Deutschen
vorhanden. Ob er ein Arbeiter, Techniker, Arbeitgeber, Wissenschaftler oder
Politiker ist, er besitzt auf seiner Ebene diese Fähigkeiten. Und diese
Eigenschaften führen die Deutschen zu einer sehr produktiven und
leistungsorientierten Verteilung der Arbeit auf allen Ebenen des gesellschaftlichen
Lebens. So versucht jeder das zu tun, was seinen Fähigkeiten, Fertigkeiten und
Kenntnissen entspricht.
Die deutsche
Gesellschaft ist also das, was man allgemein Leistungsgesellschaft nennt. Die
Mehrheit der Deutschen sind mit anderen
Worten – im Gegensatz zu der Mehrheit der Griechen - mehr Spezialisten und
weniger Generalisten.
Beispielsweise
weiß ein deutscher Metzger, wie ein Tier geschlachtet wird, ohne es zu quälen.
Er weiß, wie das Fleisch geschnitten wird, ohne es zu massakrieren, er weiß
auch, wie das Fleisch von Fett und Knochen getrennt wird, und letztlich ist er
damit in der Lage, das gesamte Fleisch, das Fett und die Knochen des Tieres
nicht nur ökonomisch effizient, sondern auch so zu gestalten, dass es für alle
Geldbeutel und Geschmacksrichtungen verwertbar ist.
In der deutschen Gesellschaft
ist es selbstverständlich, dass jeder versucht, so viele spezielle Kenntnisse
wie möglich zu erwerben, die ihn in der Lage versetzen, eine objektive Meinung
über seinen Beschäftigungsgegenstand zu haben. Aber dieser deutsche Metzger wird keine
spezielle Meinung
über den Gegenstand eines
Zimmermanns äußern,
der als seine Aufgabe die Verarbeitung von Holz hat.
Diese Haltung und dieses Verhalten
erkennt man auf allen Ebenen des deutschen privaten, sozialen, wirtschaftlichen
und politischen Lebens, welches konsequent verfolgt wird und zu einer
leistungsorientierten Gesellschaft führt. Dies zeigt sich durch die
Realisierung – auch in Krisenzeiten - der entsprechenden verhältnismäßig guten
ökonomischen Ergebnisse, die man heute in Deutschland überall sieht.
Und letztendlich wurden die Deutschen durch diese "Weisheit", ihr konsequentes Verhalten und die Erfahrung von zwei Weltkriegen, die Deutschland fast vollständig zerstörten und die Deutschen
zum weltweit meist gehassten Volk machten, zum Erwachen und zu einer echten Läuterung gebracht. So
konnten sie ihre hervorragenden sozioökonomischen Früchte der
Nachkriegsweisheit
nicht nur für sich nutzen, sondern auch für alle ihre ehemaligen Feinde und heute Freunde innerhalb der EU nutzbar machen.
Und diese Weisheit führte sie nach 1945 zu einer ernst
gemeinten Entschuldigung bei ihren Opfern, führte zur detaillierten Benennung
und Verurteilung ihrer erbärmlichen und menschenunwürdigen Gräueltaten, sie
ermöglichte das Erzählen ihres barbarischen Verhaltens mit Scham und Abscheu
gegenüber ihren Kindern und bremst das Vergessen durch die ständige
Wiederholung in ihren Schulen bis heute.
Mit anderen Worten, die
Geschichte hat
sie gelehrt, den Krieg und alle Verhaltensweisen, die Gewalt und Unnachgiebigkeit in den internationalen Beziehungen
erzeugten, zu verabscheuen. Und
das Beste ist, dass
sie das demokratische, politische und ökonomische System der freien
Marktwirtschaft, welches die Sieger- und Besatzungsmächte (USA, Großbritannien und Frankreich) im westlichen und größten Teil Deutschlands den
Deutschen auferlegten, nicht nur anerkannt und akzeptiert, sondern mit gründlicher Konsistenz und Klarheit umgesetzt haben.
Die in der
deutschen Geschichte neuen Systeme (politisches und ökonomisches) wurden
überarbeitet und konsequent ihrer Denkweise und Mentalität angepasst. Mit erstaunlicher
Gründlichkeit - im Gegensatz zu anderen
europäischen Nationen –haben die Deutschen investiv und produktiv die US-Wirtschaftshilfe
(Marshall-Plan) verwertet, die ihnen nach dem zweiten Weltkrieg gegeben wurde, so
dass sie - zur Überraschung aller ehemaligen Feinde und Freunde - das so
genannte deutsche Wirtschaftswunder realisiert haben.
- Die
Rolle der Deutschen bei der Entstehung und Gestaltung der EU
Die Deutschen
und die Franzosen, einst erbitterte
Feinde, sind diejenigen, die nach dem zweiten Weltkrieg vorangingen, um
zunächst die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft zu gründen, die sich heute zu
einer Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion entwickelt hat. Sie haben
damit nicht nur die Bedingungen für mehr als 65 Jahre andauernde friedliche
Koexistenz der europäischen Völker geschaffen (beispielloses Ereignis in der europäischen Geschichte), sondern sie haben
wesentlich dazu beigetragen, dass für Deutschland und für die anderen Europäer ein bisher unbekannter wirtschaftlicher Wohlstand entstand.
Mit dem
Wissen und den dynamischen Entscheidungen charismatischer politischen Führer,
wie Konrad Adenauer, Ludwig Erhard, Willy Brandt, Helmut Schmidt, Helmut Kohl
und andere, waren sie in der Lage, beneidenswerte politische, wirtschaftliche
und soziale Systeme zu kreieren und etablieren sowie mit der endgültigen,
durchaus nicht leichten Akzeptanz aller für Deutschland harten Implikationen des selbst verursachten
zweiten Weltkrieges den Frieden in Europa zu festigen.
Bekanntlich wurden mehr als 20 Millionen
Deutschen aus ihrer Heimat vertrieben. Sie
verzichteten komplett und für immer durch
völkerrechtlich bindende Verträge auf die ostdeutschen Gebiete von
der Größe eines Landes wie Griechenland. Somit versöhnte
dieses Verhalten überzeugend die
einstigen jahrzehntelang unversöhnlichen
europäischen Feinde mit dem deutschen Volk.
Angesichts
der in der Nachkriegszeit aufkommenden
kommunistischen
Gefahr ist
es den Deutschen nicht nur gelungen diese mit friedlichen Mitteln zu
vermeiden, sondern sie entscheidend
mit ihrem erfolgreichen demokratischen Regierungssystem sowie ihrem sozioökonomischen
Modell zum
endgültigen Zusammenbruch zu bringen.
Mit
anderen Worten, es ist den Deutschen gelungen die sozioökonomischen Prinzipien
(Grundsätze)
der Subsidiarität (Unmittelbarkeit
und Rechenschaftspflicht bei der Entscheidungsfindung) und der Solidarität so miteinander zu
verknüpfen, dass daraus das sozioökonomische Systems der Marktwirtschaft mit sozialem Gesicht oder, wie sie auch genannt
wird, die Sozialen Marktwirtschaft
entstand und umgesetzt wurde.
Beide Komponenten
(Subsidiarität und
Solidarität) des
sozioökonomische Modells sind mehr oder weniger der Maßstab für wirtschaftliches und soziales Verhalten aller Deutschen geworden. Und seit dem Maastricht Vertrag (1992)
wurde dieses System schließlich ein
Gradmesser
für alle Länder
der Europäischen Union (EU).
- Das Subsidiaritätsprinzip
Das Prinzip
der Subsidiarität wurde im Jahr 1992 mit
dem Vertrag von Maastricht als grundlegendes Prinzip der EU eingeführt. Nach
diesem Prinzip kann die EU (Europäische Kommission) legislative Initiativen und
Aktionen unternehmen, die für alle Mitgliedstaaten gelten. Ein solches Vorgehen
ist aber nur zulässig, wenn die individuellen Fähigkeiten und Möglichkeiten der
Mitgliedstaaten zur Erreichung des angestrebten Ziels nicht ausreichen[1]. Das Subsidiaritätsprinzip setzt voraus, dass alle Mitgliedstaaten sowohl parlamentarische
Demokratien sind als auch marktwirtschaftliche Systeme haben. Basierend
auf diesem Subsidiaritätsprinzip wird jeder EU-Mitgliedstaat verpflichtet seine Angelegenheiten
selbst zu regeln. Dort aber, wo die Mitgliedstaaten nicht in der Lage sind dieser Anforderung zu entsprechen, hat die
EU das Recht und die Pflicht einzugreifen und zum Nutzen aller Mitgliedsstaaten zu handeln. Der gleiche Sachverhalt gilt auch auf
der Ebene der Beziehungen zwischen den Bürgern und dem Staat. Dies bedeutet, dass
jede Person
verpflichtet ist, für ihre angestrebten sozioökonomischen Ziele, im privaten
und gesellschaftlichen Kontext, alle ihre Möglichkeiten und Fähigkeiten
auszuschöpfen, zum Nutzen aller, bevor sie die Hilfe anderer, z.B. des Staates
bzw. der Steuerpflichtigen, verlangt.
Zusammenfassend
lässt sich das Subsidiaritätsprinzip im Rahmen der EU so interpretieren, dass
nicht nur jeder Mitgliedsstaat, sondern auch jeder Bürger bei jeder
individuellen und gemeinschaftlichen Aktivität juristisch (aus dem Maastricht
Vertrag) und ethisch (aus seiner
Mitgliedschaft in einer Gesellschaft) verpflichtet ist, jegliche seiner
Fähigkeiten und Fertigkeiten einzusetzen, um den bestmöglichen Wohlstand für
alle und damit den sozialen Frieden zu erreichen.
Sicherlich darf im Rahmen eines ökonomischen
Systems der freien Marktwirtschaft, wo auch das Prinzip des
Wettbewerbs gilt,
dieser nicht unfair sein und keine gierigen Gewinne ermöglichen. Gerade in diesem
Zusammenhang bindet das Subsidiaritätsprinzip die Mitgliedstaaten und ihre Bürger, so dass sich ihre
sozioökonomischen Aktivitäten in einer
Arena nobler Rivalität und gegenseitiger Anerkennung und Aufmerksamkeit entwickeln.
Die spekulativen Spiele in den internationalen Kapitalmärkten mit unlauterem Wettbewerb, List und Täuschung, die wir in unseren Tagen erleben, haben
keinen Platz in einer freien Marktwirtschaft. Die
Tatsache, dass wir heute diese Art von sozioökonomischen Verhalten erleben, ist
offensichtlich eine Folge der Nichteinhaltung der Regeln des ökonomischen
Systems, zu welchem sich alle "Spieler"- Staat, Bürger und
Kapitalmärkte – verpflichtet haben. Und für diese Entwicklung ist vermutlich
das europäische politische System in seiner Gesamtheit verantwortlich.
- Das Solidaritätsprinzip
Das Prinzip der Solidarität ist eine notwendige Bedingung für die Kohärenz (friedliches Zusammenleben) einzelner Personen, Gesellschaften und Staaten. Dies basiert in erster Linie auf dem Prinzip der Chancengleichheit. Ausdruck der Solidarität ist also die Beseitigung jeder
Chancenungleichheit,
die aus formellen oder informellen gesellschaftlichen Zwängen entsteht. Solche Zwänge können beispielsweise
aus der geographischen oder sozialen Umwelt resultieren. Die Lebenschancen
können schon allein deshalb unterschiedlich sein, weil jemand als Afrikaner, Asiate, Amerikaner,
Süd-, Nordeuropäer, in einer reichen
oder armen Familie, mit physischen Fähigkeiten oder Schwächen, intelligent oder
weniger intelligent geboren ist. Nicht zuletzt spielt auch der Faktor Glück
eine Rolle.
In der Europäischen Union, wo es Länder mit unterschiedlichen Niveaus der wirtschaftlichen Entwicklung und des Wohlstandes gibt, werden durch die verschiedenen EU-Mittel und durch die Zuschüsse der reicheren an die ärmeren
Länder
Anstrengungen unternommen, um die wirtschaftlichen und sozialen Unterschiede zwischen den
Mitgliedstaaten zu verringern. Beispielsweise äußerte sich diese Solidarität der EU gegenüber Griechenland von 1981 bis heute mit 150 Milliarden Euro Subventionen. Davon kamen mindestens 40 Milliarden
Euro
von den Deutschen.
Die
Grundsätze der Subsidiarität und der Solidarität werden als die beiden
wichtigsten Säulen, auf welchen das Gebäude der EU steht, angesehen. Das
sozioökonomische System der Sozialen Marktwirtschaft, welches, wie
erwähnt, nach dem Zweiten Weltkrieg
zunächst in der Bundesrepublik Deutschland ausgearbeitet und umgesetzt wurde,
ist heute eine von allen Mitgliedsländern akzeptierte Kombination zwischen dem
Subsidiaritäts- und dem Solidaritätsprinzip und ist daher in allen EU-Ländern mehr
oder weniger Standard geworden.
- Einige
Zwischenschlussfolgerungen
Aus beiden Prinzipien lassen
sich einige wichtige Schlussfolgerungen
ziehen, die für das erforderliche soziale und
wirtschaftliche Verhalten der Mitgliedstaaten
und ihrer Bürger hinsichtlich ihrer Beziehungen
untereinander von Bedeutung sind.
Erstens, das Prinzip der Subsidiarität bedeutet aus wirtschaftlicher und sozialer Sicht, dass jeder EU-Mitgliedstaat, d.h. die
Regierungen, verpflichtet sind alle notwendigen wirtschaftlichen und sozialen Maßnahmen zu
treffen, um das vorhandene Potenzial des Staates und seiner Bürger zum Wohle aller
zu nutzen.
Zweitens, das Solidaritätsprinzip bedeutet, dass, wenn die
EU-Mitgliedstaaten und ihre einzelnen Regionen alle ihre Möglichkeiten, um ihre
Verpflichtungen zu erfüllen, die aus dem Grundsatz der Subsidiarität herrühren,
nachweisbar ausgeschöpft haben und dennoch ihr BIP pro Kopf unter dem
durchschnittlichen BIP pro Kopf der EU-Länder blieb, dann müssen die
überdurchschnittlichen Mitgliedsländer den unterdurchschnittlichen
Mitgliedsländern Hilfen (Subventionen) gewähren. Die Geschichte der EU zeigt,
dass bisher diese Forderung in einem
recht zufriedenstellenden Grad realisiert wurde.
Drittens, die solidarische Hilfe beinhaltet sowohl Grenzen als
auch Verpflichtungen und kostet gleichzeitig etwas. Die Grenzen bestehen darin,
dass die jährliche Hilfe (die Zuschüsse der Gemeinschaft) nicht mehr als 15%
des jährlichen Staatshaushaltes des Empfängerlandes betragen sollte. Dabei
verpflichtet sich das subventionierte Land mit den Zuschüssen möglichst
Entwicklungsinvestitionen zu finanzieren. Die Kosten des subventionierten
Mitgliedslandes bestehen darin, dass es einen Teil seiner nationalen
Souveränität (Unabhängigkeit) verliert, da die Geldgeber (mit gutem Recht) eine
gewisse Kontrolle über die Verwendung der gewährten Subventionen ausüben
möchten.
Die Finanzkrise und teilweise globale Wirtschaftskrise von 2008 deckten auf, dass einige Mitgliedstaaten der Währungsunion jahrelang Verhaltensweisen (absichtlich?) verdeckt hatten, die im Widerspruch zu den Anforderungen der Grundsätze der Subsidiarität und Solidarität standen. Dadurch wurde das Gebäude der Europäischen
Wirtschafts- und Währungsunion ernsthaft bedroht.
- Griechenland als Beispiel
Wie bereits
erwähnt, genoss Griechenland, welches seit 1981ein vollwertiges Mitglied der EU
ist, intensiv die europäische Solidarität, da Griechenland bis heute europäische
Subventionen in Höhe von mehr als 150 Milliarden Euro erhalten hat. Wenn die
griechischen Regierungen diese Gelder gemäß den Anforderungen des
Subsidiaritätsprinzips, d.h. primär investiv, eingesetzt hätten, dann, so ist
zu vermuten, wäre der positive Effekt auf das Wirtschaftswachstum Griechenlands
und für den Wohlstand seiner Bürger viel günstiger ausgefallen. Die
griechischen parlamentarischen Regierungsparteien und ihre Politiker, die seit
fast 40 Jahren immer noch regieren, haben in dieser Zeit die europäischen
Subventionsgelder in vielerlei Hinsicht verschwendet, da sie mit einem großen Teil dieser Gelder
sich selber und ihre mit ihnen parteipolitisch und gewerkschaftlich verbundenen
Freunde finanziert haben. Hinzu kamen noch Hunderte von Milliarden Euro
öffentlicher Auslandskredite, deren Umfang heute eine geordnete Bedienung der
Schulden (die Rückzahlung) unmöglich macht. Der Schuldendienst übertrifft bei
weitem die finanziellen Möglichkeiten des griechischen Staates und des
griechischen Volkes. De facto sind heute der griechische Staat und seine Bürger
zahlungsunfähig.
Inzwischen
ist uns allen klar geworden, dass die Korruption, die illegalen Absprachen und die
Inkompetenz der griechischen Politiker zu diesem Ergebnis geführt haben. Die
europäischen Politiker ignorieren leider diese Tatsache und erklären sich immer
wieder solidarisch, allerdings nicht mit dem griechischen Volk, sondern mit diesen
korrupten Politikern und halten sie, durch die wiederholte Gewährung von Krediten,
dauerhaft an der Macht. So haben die europäischen
Partner und der Internationale
Währungsfonds 2010 beschlossen und begonnen dem griechischen Staat (bzw.
den griechischen Politikern) bis 2020 Kredite in Höhe von 240 Mrd.
Euro mit einem sehr niedrigen Zinssatz (Durchschnitt etwa 1,5%) zu gewähren.
Eine solche Großzügigkeit stellt ein Novum (ist beispiellos) in der
Geschichte der Weltwirtschaft dar.
Aber das Schlimmste und das Schändlichste bei dieser Entwicklung ist, dass diese raffinierten griechischen Politiker
langsam beginnen, mit Hilfe der Medien das griechische Volk zu überzeugen, dass die Hauptschuldigen für ihre Misere
die Kreditgeber sind,
hauptsächlich die Deutschen,
die mindestens 65 Mrd. Euro gewähren. Sie alle sind Zinswucherer, harte Ausbeuter,
die vor allem
das Ziel haben Griechenland zu erobern, die Griechen zu unterwerfen und zu versklaven. Und diese Botschaft scheint in der
griechischen Gesellschaft Fuß
gefasst
zu haben, da sie fast in allen
Medien und
in den Bürgercafés das
erste Thema bei
Diskussionen ist.
Samaras und
Venizelos, die Koalitionäre in der heutigen Regierung, deren Parteien und somit
auch sie selbst die Hauptverantwortlichen für die gegenwärtige
Griechenlandkrise sind, merken bereits, dass auch die 240 Milliarden Euro
Kredite nicht auserreichen werden, um Griechenlands Zahlungsunfähigkeit zu
verhindern. Intuitiv begreifen sie auch, dass die Europäer (hoffentlich) nicht
mehr bereit sind weitere Kredite zu gewähren. So bleiben sie ihrer bisherigen
Strategie treu und versuchen, mit ihren Interviews die Unschuldigen zu spielen und die Griechen
zusätzlich zu verwirren, indem sie sagen, dass die EU keine echte Union ist,
wenn es keine Solidarität unter den Unionsmitgliedern gibt.
Welche Solidarität wollen Samaras und Venizelos
noch haben? Müssten sie sich nicht schämen, wenn sie selbst und auch viele Gleichgesinnte und ihre Schützlinge (siehe Liste Lagarde) – allesamt Euro-Millionäre - nicht
aufhören, für weitere
europäische Almosen zu betteln, die letztlich sie selbst genießen, aber
Generationen von Griechen in der Gegenwart
und in der Zukunft
belasten werden?
Wenn die
Griechen (die griechischen Wähler) jetzt nicht aufpassen und sich gegenüber ihren Politiker nicht
wehren , werden sie den Spruch von Lenin bestätigen, der gesagt
haben soll: "Unsere
Fans (Wähler) sind für uns nützliche Idioten, weil wir sie hin und her schieben können, um unsere Ziele zu
erreichen“. Die Politiker Griechenlands haben diesen
Spruch bisher gewissenhaft
und gründlich für die Realisierung ihrer eigenen Interessen erfolgreich umgesetzt.
Was aber tun die Bürger
und Wähler? Wie lange noch wollen sie die Rolle des nützlichen Idioten spielen?
- Gibt es noch Hoffnung?
Die aktuellen Entwicklungen in Europa
und vor allem in Griechenland können für die bewussten Europäer im
allgemeinen und für die Griechen insbesondere zum Anlass werden, ihre bisherigen sozioökonomischen Verhaltensweisen zu überdenken und einen neuen Anfang zu wagen. Die bisherigen Motive und Handlungen
in Zeiten von hohem Wohlstand, Armut und Unsicherheit, die parallel existieren,
müssen in eine neue Richtung in Bezug auf die Beziehungen der Europäer
untereinander und zu den Griechen insbesondere gelenkt werden. Die Prinzipien
der Subsidiarität und der Solidarität müssen wieder belebt werden. Und dies
gilt sowohl für die Geber als auch für die Nehmer innerhalb der EU. Gemäß ihren Fähigkeiten und Fertigkeiten sollten alle konstruktiv mit ihren Denken und Handeln zu einem „guten Leben für
alle“ in der EU beitragen. Unabhängig von den unterschiedlichen legitimen politischen Überzeugungen /Präferenzen, sollte jeder versuchen, die europäischen Entwicklungen mit zu gestalten und zu
formen und somit zu einem friedlichen Leben in Europa beitragen. Außerdem sollten
friedliches Zusammenleben und soziale
Gerechtigkeit eine vorrangige Aufgabe, ein inspirierendes Leitprinzip und eine
ständig treibende Kraft aller Europäer sein. Für die Akzeptanz der anstehenden
Reformen und Umstrukturierungen in Europa und vor allem in Griechenland ist es
notwendig, dass den Bürgern das Gefühl vermittelt wird, alles geschieht gerecht. Die Verteilung und Umverteilung von Einkommen
und Steuerlasten werden von den Bürgern nur dann als fair und gerecht
empfunden, wenn alle sehen, dass alle gemäß ihren Fähigkeiten und ihren
Leistungen zu der Erfüllung der gesellschaftlichen Aufgaben beitragen.