Donnerstag, 28. März 2013

Wer bezahlt die Zeche? Ethik der Abgabebelastung



Vortrag im Rahmen der Tagung der Gesellschaft für Wirtschaftswissenschaften und Ethik e.V. vom 5.- 8. November 2009 in Bad Blankenburg (Thüringen)

Generalthema der Tagung:

Krise der Weltwirtschaft. Zurück zur Sozialen Marktwirtschaft und die ethischen Herausforderungen auf dem Wege dorthin.


Inhalt:
 1. Die Notwendigkeit der Staatseinnahmen
 2. Die Begründung der Abgabebereitschaft von finanziellen Mitteln
3. Die Höhe der Abgaben und die Abgabeverteilung in Deutschland
4. Vorschlag einer radikalen Reform des Abgabensystems


1.  Die Notwendigkeit der Staatseinnahmen

Für die Bewältigung der noch andauernden Finanz- und Wirtschaftskrise, die im letzten Jahr spürbar ausbrach, wurden und werden weltweit öffentliche Finanzgarantien und Finanzmitteln in Billionen € Höhe verwendet, die, meines Erachtens, in diesem Ausmaß, eine Novität in der Wirtschaftsgeschichte der Menschheit darstellen. Dieser - von der Sache her - notwendige staatliche finanzielle Einsatz, erlaubt dennoch, die Frage nach der Herkunft der Finanzmittel zu stellen. Auch die seit Jahren andauernde Diskussion in Deutschland über die Ausgewogenheit des Abgabensystems und über das Ausmaß der Staatsverschuldung, erhält durch die gegenwärtige Finanzkrise, die enorme finanzielle Mittel abverlangt, eine zusätzliche Bedeutung und Schärfe. Bevor ich eine Antwort auf die konkrete Frage meines Themas liefere, nämlich, wer die staatlichen Ausgaben finanziert, möchte ich vorher die Frage über die Notwendigkeit der Staatsausgaben kurz stellen und erläutern.
Ein Gemeinwesen braucht finanzielle Mittel, um seine Organisation bzw. seine Existenz zu finanzieren. Das Regierungssystem, die Verwaltungen, die Justiz, der diplomatische Dienst, das Militär, die Bildung, das Polizeiwesen, die Infrastruktur etc., also die primären Aufgaben des Staates, erfordern Beträge in Milliarden Höhe. Dazu kommen noch die zusätzlichen Milliarden, die der Staat im Rahmen seiner Sozialpolitik ausgeben muss. Alle diese Mittel müssen die Bürger dieses Gemeinwesens aufbringen. Ist dieses Gemeinwesen parlamentarisch demokratisch und sozialstaatlich organisiert, dann bestimmen direkt und indirekt die Bürger über die Notwendigkeit, über die Höhe und über die Träger dieser finanziellen Lasten. Man kann davon ausgehen, dass je mehr Information und Aufklärung, je mehr Transparenz und Gerechtigkeit es bei der Begründung dieser Notwendigkeiten gibt, um so höher wird die Bereitschaft der Bürger sein, diese Lasten nach ihren Leistungsfähigkeiten mitzutragen.
Geschieht dies nicht, dann wird bei den Bürgern Misstrauen, Abwehrhaltung und eine erhebliche Minderung ihrer Bereitschaft entstehen, diese erforderlichen Mittel dem Staat zur Verfügung zu stellen. Allerdings ist diese so allgemein abgeleitete Bereitschaft, selbst wenn auch die an-gesprochenen positiven Bedingungen gelten, nicht bei allen Menschen gleich.

2.  Die Begründung der Abgabebereitschaft von finanziellen Mitteln

Die Ökonomen versuchen die unterschiedlichen Verhaltensweisen der Menschen im Zusammenhang mit ihrer Bereitschaft dem Staat finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen, aus der Existenz zweier Axiome abzuleiten, die nach ihrer Meinung bei allen Menschen gelten.
 Erstens, jeder Mensch, wenn man von manchen krankhaften Ausnahmen absieht, betrachtet sein eigenes irdisches Leben als sein höchstes Gut.
Zweitens, bei jedem Mensch besitzt die Realisierung seiner eigenen persönlichen Interessen in der Gesellschaft, die erste Priorität. Jeder handelt also nach dem Motto: erst ich und dann die anderen. Daraus lässt sich – zunächst allgemein - das kollektive Verhalten aller Menschen ableiten.
Würde beispielsweise jemand auf der Basis dieser Axiomen vor der freiwilligen Entscheidung stehen, 100 €, die er selber erwirtschaftet hat, zwischen sich und einem anderen Menschen außerhalb seines familiären Kreises aufzuteilen, dann wird er sich zwischen zwei extremen Verhalten bewegen. Entweder er wird alle 100 € für sich behalten, oder er wird maximal 50 € abgeben. Wie tatsächlich die Aufteilung vorgenommen wird, hängt von einer Reihe spezieller Einflussfaktoren ab, die sein tatsächliches Verhalten leiten. In den Gesellschaftswissenschaften unterscheidet man in diesem Zusammenhang zwischen informellen und formellen Einflussfaktoren, die das Verhalten der Menschen in der Gesellschaft allgemein beeinflussen.
Zu den informellen Einflussfaktoren gehört all das, was man mit dem Begriff Kultur umfasst. Darunter gehören die Volkszugehörigkeit, die gemeinsame Geschichte, die gemeinsame Sprache, die Religionsgemeinschaft, die Erziehung, die Bildung und Ausbildung und nicht zuletzt die Gene. Man spricht auch von positiven oder negativen Pfadabhängigkeiten, die daraus resultieren. Alle diese Faktoren prägen die Charaktereigenschaften des einzelnen Menschen, die sein freiwilliges Verhalten gegenüber seinen Mitmenschen bestimmen. Von diesen Charaktereigenschaften hängt auch das moralisch ethische und somit das quasi spontane Verhalten der Menschen gegenüber ihren Mitmenschen in der Gesellschaft ab. Davon hängt es auch ab, ob in der Gesellschaft eine selbstgesteuerte soziale und politische Stabilität (friedliche Koexistenz) entsteht.
Um bei meinem Zahlenbeispiel zu bleiben, würden die Menschen von ihren 100 € freiwillig bereit sein, z.B. 30 € abzugeben, dann wird vermutlich diese Gesellschaft, ohne exogenen Zwang, automatisch sozial und politisch stabil sein. Da wir aber in allen Gesellschaften auch und vor allem formelle Ordnungsregeln haben, die gesetzlich verankert werden, ist dies ein Beweis dafür, dass für das Erreichen der gesellschaftlichen Stabilität die informellen Regeln allein nicht ausreichen. Insofern scheint die alte ordoliberale Auffassung zu gelten, dass ein stabiles gesellschaftliches Leben der Menschen vorwiegend ordnungsbedingt ist. Allerdings für die Wirtschaftswissenschaftler, die mit der Bewältigung des materiellen Knappheitsproblems zu tun haben, können möglicherweise die eingesetzten Ordnungsregeln ein Effizienzproblem aufwerfen. Dies hängt mit der oben angenommenen Gültigkeit der zwei Axiome zusammen. Daher ist es erforderlich, dass der eingesetzte Ordnungsrahmen möglichst zweierlei Wirkungen hervorruft.
Einerseits soll er die Dynamik, die Innovationskraft und damit die wachsende Produktivität der in der Gesellschaft handelnden Akteure, die für die permanente Relativierung des allgemein geltenden Knappheitsproblems sorgen, fördern.
Andererseits soll er nicht unsozial wirken, um die Gefahr der Entstehung von instabilen sozialen und politischen Entwicklungen zu minimieren, die die Leistungsbereitschaft der Akteure gefährden könnten. Mit anderen Worten, der Ordnungsrahmen soll die Handlungsfreiheit der Akteure dort einschränken, wo sie unsozial in der Gesellschaft zu wirken beginnt.
Für die Erreichung dieser Ergebnisse hatte man in der Bundesrepublik Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg die glorreiche Idee der Einführung der Sozialen Marktwirtschaft, die eine Kombination vom Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip darstellt. Die Begriffe Markt und Sozial haben in diesem Ordnungssystem eine gleichgewichtige Bedeutung. Der Begriff Markt steht für die wirtschaftliche Freiheit und wirtschaftliche Leistung der Akteure. Die wirtschaftliche Freiheit und wirtschaftliche Leistung besteht:
Erstens in der Freiheit der Verbraucher, Güter nach beliebiger Wahl aus dem Sozialprodukt zu kaufen, es besteht also Konsumfreiheit.
Zweitens in der Freiheit der Eigentümer ihre Ideen, ihre Arbeitskraft, ihr Geld, ihre Sachgüter und unternehmerischen Fähigkeiten nach eigener Wahl einzusetzen.
 Drittens in der Freiheit der Unternehmer, Güter eigener Wahl zu produzieren und abzusetzen und viertens in der Freiheit aller Akteure, Güter und Dienstleistungen kaufen und verkaufen zu können (Wettbewerbsfreiheit). Ihre Grenzen finden diese Freiheitsrechte dort, wo die Rechte Dritter, die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verletzt werden (Art.2 GG).
Der Begriff  ”sozial” sollte folgendes zum Ausdruck bringen:
Erstens, dass die Marktwirtschaft allein durch ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, und durch die Gewährung wirtschaftliche Freiheitsrechte für alle, einen sozialen Charakter in sich trägt. Damit schafft sie die wirtschaftlichen und sozialen Voraussetzungen für die Realisierung eines Wohlstandes für alle.
Zweitens, dass die Marktfreiheit aus sozialen Gründen dort beschränkt werden sollte, wo sie für die Mehrheit der Menschen sozial unerwünschte Ergebnisse hat und deshalb aus gesellschaftspolitischen Gründen korrigiert werden müssen. Solche Korrekturen finden durch politische Umverteilungen der Marktergebnisse statt. Die politischen Korrekturen sind gesellschaftlich notwendig, weil es einmal im Rahmen des Marktsystems Marktversagen gibt, wie anormale Reaktionen am Arbeitsmarkt, nicht automatische Berücksichtigung der Umweltgüter, Entstehung von Monopolmacht etc. All dies verhindert die leistungsgerechte Verteilung der Einkommen und der Kosten und bedarf daher der politischen Korrektur. Zum anderen das Allokationssystem des Marktes lässt fast die Hälfte der Menschen in der Gesellschaft unberücksichtigt. Dies betrifft die Kinder, die Kranken, die Alten und die Arbeitslosen. Deshalb ist im Rahmen einer Sozialen Marktwirtschaft der Staat verpflichtet durch Sozialpolitik, Umverteilungen vorzunehmen, um diesem Teil der Bevölkerung existentiell zu sichern und damit diesen Menschen die Möglichkeit zu geben, sich über die Verwendung ihres Transfereinkommens am Marktsystem zu beteiligen. MÜLLER-ARMACK der Schöpfer des Begriffes Soziale Marktwirtschaft definiert sie wie folgt: Sie ist eine ordnungspolitische Idee, die auf der Basis des Wettbewerbs, die freie Initiative mit einem durch die marktwirtschaftliche Leistung gesicherten sozialen Fortschritt verbindet. Auf der Grundlage einer solchen marktwirtschaftlichen Ordnung kann ein vielgestaltiges und vollständiges System sozialen Schutzes für alle Menschen errichtet werden. In der heutigen Diskussion hat man Zweifel, ob die praktizierte Art der Sozialen Marktwirtschaft in der BRD den Intentionen ihrer Väter (insbesondere Ludwig Erhard und Alfred Müller-Armack) entspricht. Unternehmerverbände, Gewerkschaften, Parteien, Regierung, Opposition, Wissenschaftler sowie soziale Verbände haben unterschiedliche Vorstellungen, wie im Zeitalter der Globalisierung die konkrete Ausgestaltung der Sozialen Marktwirtschaft sein soll.
Über die besonderen Charakteristika der Sozialen Marktwirtschaft ist man mehr oder weniger einig. Diese allgemein akzeptierten Charakteristika sind:
 Erstens, in der Sozialen Marktwirtschaft sollen grundsätzlich die Wirkungen der Marktpreismechanismen durch politische Einflüsse nicht beeinträchtigt werden. Sie sind erforderlich, um optimale Lösungen des Allokations-, des Leistungs-, des Verteilungs- und des Macht- bzw. des Interessenausgleichsproblems zu bewirken.
Zweitens, wirtschaftspolitische Eingriffe des Staates zugunsten wirtschaftlich Schwacher sind notwendig und müssen systembedingt möglich sein. Die Sozial- und die Steuergesetzgebung müsste deshalb viele Bereiche die darunter fallen nicht nur berücksichtigen, sondern auch wirtschaftlich wie sozial optimal gestalten. Das Letztere betrifft unmittelbar mein Thema. Die Sozial- und allgemein die Abgabepolitik des Staates wird von den Bürgern in der Sozialen Marktwirtschaft ohne Leistungsverweigerung akzeptiert, wenn die Bürger der Meinung sind, dass die Einnahmenpolitik des Staates leistungsgerecht vor sich geht. Gerade dies scheint in Deutschland in den letzten Jahren nicht der Fall zu sein. Nur wenigen Leuten ist meines Erachtens bewusst, wie sehr sich die Kluft zwischen den sehr Reichen und dem Rest der Menschen innerhalb relativ kurzer Zeit verbreitert hat. Wer sich mit diesem Thema beschäftigt, setzt sich unweigerlich dem Verdacht aus, „Klassenkampf“ oder eine „Politik des Neides“ zu betreiben. Und nur wenige Leute sind tatsächlich willens, über die weitgehenden Auswirkungen dieser sich immer weiter öffnenden Schere zu sprechen – ökonomische, soziale und politische Auswirkungen werden die Folgen sein.

3.  Die Höhe der Abgaben und die Abgabeverteilung in Deutschland

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes wurden im Jahr 2008 in Deutschland insgesamt 561,2 Milliarden € (ca. je zur Hälfte als direkte und indirekte Steuern) sowie 480,0 Milliarden € Sozialversicherungsbeiträge von Staatlichen Trägern eingenommen (insgesamt 1.041,2 Mrd.). Diese Abgaben machten 41,7% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus. Die Gesamtleistungen des Sozialbudgets insgesamt beliefen sich 2007 für Deutschland auf rund 707 Milliarden Euro. Die Sozialleistungsquote, das Verhältnis dieser Sozialleistungen zum Bruttoinlandsprodukt, betrug 2007 für Deutschland 29,2 %. Nach Ermittlungen des Statistischen Bundesamtes gab es im Jahre 2004 (leider gibt es noch keine neueren Zahlen) 35 Millionen Steuerpflichtige. 26,8 % oder 9,4 Millionen der Steuerpflichtigen haben 79,6 % der Lohn- und Einkommenssteuer bezahlt. Die Jahreseinkünfte dieser Gruppe betrugen mindestens 37.500 € (3.125 € monatlich). 8,3 % bzw. 2,9 Millionen davon hatten Jahreseinkommen von mehr als 66.200 € und zahlten ca. 50% der Lohn- und Einkommenssteuer.
Die Hälfte aller Zahler, 17,5 Millionen, hatten Jahreseinkünfte von weniger als 23.000 € und trugen nur 4,0% zum Lohn- und Einkommenssteueraufkommen bei. 10,1 Millionen oder 28,8% erzielten Gesamteinkünfte von maximal 10.000 Euro. Diese waren zum größten Teil Lohn- und Einkommenssteuerfrei. Diese Einkommen wurden allerdings fast vollständig von den indirekten Steuern und von den Sozialabgaben betroffen. Unter den Spitzenverdienern des Jahres 2004 waren immerhin 9.688 Euro - Millionäre mit Durchschnittseinkünften von 2,7 Millionen Euro. Sie stellten 0,03 Prozent aller Steuerpflichtigen. Von ihnen zahlte jeder im Durchschnitt 968.000 Euro Einkommensteuer. Für das Jahr 2004 wurde ermittelt, dass 10% der Steuerpflichtigen 54,3% der Lohn- und Einkommenssteuer bezahlt haben. Zur diesen Gruppe gehörten alle diejenigen, die über 61.300 € Jahreseinkünfte hatten. Auf das oberste Prozent der Einkommensreichsten (Einkommen von über 150 600 €) entfielen 21,2% der Einkommensteuer. Die indirekten Steuern und die Sozialen Beiträgen werden allerdings überproportional von den niedrigeren Einkommensbeziehern getragen.

4.  Vorschlag einer radikalen Reform des Abgabensystems

Seit Jahren findet eine intensive und kritische Diskussion über die wirtschafts- und sozialpolitischen Wirkungen der bestehenden Steuer- und Abgabensysteme statt. Viele Bestandteile dieser Abgabensysteme werden in vielerlei Hinsicht kritisiert. Vor allem werden ihre Unübersichtlichkeit und ihre Ungerechtigkeit angesprochen. In den letzten Jahren kamen die Unzulänglichkeiten bei der Finanzierung der Sozialsicherungssysteme hinzu. Es wird immer wieder eine Steuervereinfachung angemahnt, die meines Erachtens, wenn sie im Rahmen des bestehenden Steuer- und Abgabesystems stattfindet, zur Erhöhung der bestehenden Ungerechtigkeiten hinsichtlich der Verteilung der Abgabelasten führen wird. Tatsächlich ist es heute so, dass man sich ohne professionelle Hilfe mit den verschiedenen Steuer- und Abgabenarten sowie Steuervorschriften nicht zu Recht findet. Auch die zurzeit über 1.041 Mrd. € Steuer- und Sozialabgaben (41,7% {2.495,8 Mrd. €} des BIP, 2008), die die Bürger an den Staat und an die sozialen Einrichtungen zahlen, werden nicht nach der Leistungsfähigkeit der Leistungsträger verteilt. Dies basiert auf der Tatsache, dass zum Einen im Rahmen des bestehenden Steuersystems etwa die Hälfte des Steueraufkommens (ca. 280 Mrd. €, 2008) aus indirekten Steuern resultiert, und zum Anderen im Rahmen des Sozialsystems ein großer Teil der Einkommen nicht für die Finanzierung der Sozialsicherungssysteme berücksichtigt wird.
Diese unsolidarischen Tatbestände werden zwar als ungerecht empfunden, sind aber kaum Gegenstand der öffentlichen politischen Diskussion. Damit werden die niedrigen Einkommen voll von den indirekten Steuern betroffen, während die hohen Einkommen nur zum Teil für die indirekten Steuern infrage kommen.
Die Ungerechtigkeit besteht also darin, dass jeder Verbraucher unabhängig von der Höhe seines Einkommens mit einem annähernd gleichen indirekten Steuerbetrag belastet wird. Die prozentuale Steuerbelastung ist somit bei kleinen Einkommen größer als bei höheren und bei kinderreichen Familien stärker als bei kinderlosen Ehepaaren oder Ledigen.
Diese Wirkung der indirekten Steuern wird als „Regression" bezeichnet und wurde bis heute als antisozial empfunden. Ähnliches gilt bei die Sozialabgaben, die nicht die gesamte Höhe der Einkommen, sondern in Höhe der jährlich festgelegten Bemessungsgrenzen des Arbeitseinkommens, belasten.
Diese Abgabepolitik führt dazu, dass die Niedrigeinkommensbezieher überproportional zu Staatseinnahmen beitragen. Nach einer Untersuchung der OECD liegt die Abgabequote in Deutschland für einen Einzelverdiener mit 110.000 Euro Jahresgehalt genau so hoch wie für einen Arbeitnehmer mit 36.500 Euro Jahresgehalt.
Würde man auch die Pendlerpauschale und andere an besondere Voraussetzungen geknüpfte Steuerfreibeträge berücksichtigen, wäre die Entlastung am oberen Ende der Einkommensskala noch deutlicher. Abgesehen von der Gerechtigkeitsfrage wirkt sich diese Abgabepolitik auch negativ auf viele Bereiche der Volkswirtschaft aus. Sie wirkt Wachstums- und Beschäftigungshemmend, weil sie durch die indirekten Steuern und durch die Sozialabgaben der Unternehmungen die Kosten der Produktion sowie die Preise der Produkte erhöht und damit die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft beeinträchtigt.
Sie wirkt auch konjunkturhemmend, weil sie die konsumfreudigeren Niedrigeinkommensbezieher überproportional belastet. Hinzu kommt, dass diese Art der Abgabenpolitik die Erhebungskosten der Abgaben durch Überbürokratisierung erhöht und eine zusätzliche und teurere Sozial- sowie Subventionspolitik (Umverteilungspolitik) notwendig macht.
Von allen diesen angesprochenen negativen Folgen könnte man sich meines Erachtens befreien, wenn eine radikale und zugleich einfache Reform des gesamten Abgabensystems vorgenommen würde. Sie soll dahin führen, dass ihre Ergebnisse nicht nur dem System der Sozialen Marktwirtschaft gerecht würden, sondern auch das ganze Abgabensystem total transparent und für jeden nachvollziehbar wäre.
Gerecht sein, bedeutet in diesem Zusammenhang, dass alle Leistungsträger und Transfereinkommensbezieher gemäß ihrer Erwerbs-, Vermögens- und Transfereinkommen zu den Staatslasten beitragen. Der folgende Vorschlag basiert zunächst auf der Annahme, dass die Steuer- und sonstige Abgabebelastungen von gegenwärtig (2007) 950 Mrd. € bestehen bleiben. Ob später diese Abgabenhöhe nach Einführung und Wirkung der Reform notwendig ist, soll dann überprüft werden. Der Vorschlag lautet: -
Es werden nur direkte Steuern erhoben, aus welchen sämtliche Staatsaufgaben einschließlich aller Sozialsicherungssysteme finanziert werden.
 - Die erste unmittelbare Folge ist, dass sich die reale Kaufkraft aller Einkommensbezieher um die Höhe der einbehaltenen indirekten Steuern erhöht. Bei Niedrigeinkommensbeziehern kann dies weit mehr als 20% Erhöhung ihres realen Einkommens bedeuten.
- Es wird ein jährlicher Steuer- und Abgabenfreibetrag in Höhe von 10.000 € pro Kopf gewährt, welcher zugleich als Jahresbruttoeinkommen (Transferjahreseinkommen) allen Nichteinkommensbeziehern gewährt wird. Sämtliche Transferzahlungen, wie Kindergeld, Wohngeld, Mutterschaftsgeld, staatliche Hilfen zur Rentenversicherung, etc. fallen damit weg. - Das jährliche Erwerbs- und Vermögenseinkommen, welches den Freibetrag von 10.000 € überschreitet, wird bis zu 24.000 € mit 30%, die weiteren 24.000 € mit 40% und alle weitere Einkommen mit 50% belastet. Alle Einkunftsarten der natürlichen Personen werden hierfür herangezogen.
 - Die Unternehmenssteuer für die ausgeschütteten Gewinne soll 25% und für die nicht ausgeschütteten Gewinne 20% betragen. Sämtliche sonstige Kapitalertragssteuern fallen weg.
- Jede Person ist mit diesen Abgaben im Krankheits- und Pflegefall versichert. Bis drei Monate im Jahr wird im Krankheitsfall das bisherige Einkommen gewährt.
- Im Falle der Arbeitslosigkeit werden 70% des monatlichen Einkommens für ein Jahr gewährt, wenn die betreffende Person mindestens zwei Jahre erwerbstätig gewesen ist. Ist diese Person mehr als 10 Jahre erwerbstätig, verlängert sich der Einkommensbezug um 6 Monate. Zwei Jahre Anspruch auf dieses Arbeitslosengeld haben die Personen, die mindestens 30 Erwerbsjahre haben. Eine Arbeitslosenversicherung ist damit nicht erforderlich.
 - Die Höhe der Altersrente hängt von der Zeitdauer und von der Höhe der gezahlten Abgaben ab. Ihre Höhe darf dabei 70% des durchschnittlichen Einkommens der letzten 10 Erwerbsjahre bei einer vierzigjährigen Erwerbstätigkeit nicht überschreiten, (jedes vollbeschäftigte Jahr bringt 1,75% des durchschnittlichen Einkommens der letzten 10 mit Abgaben belasteten Erwerbsjahren (40 Jahre x 1,75% = 70%). Die höchste Jahresaltersrente darf allerdings das Jahresgehalt - beispielsweise des/der Bundeskanzlers/rin - nicht überschreiten.
 - Für volljährige Personen die kein oder ein geringeres Erwerbs- oder/und Vermögenseinkommen bzw. Jahresrente als 10.000 € erzielen, wird eine jährliche Transferleistung bis zur Höhe des Steuerfreibetrages (10.000 €) gewährt. Der Einkommensteil, der Transferzahlung, wird mit 30% besteuert. Wegen der relativ hohen Wohnkosten sollte für Eine Person Haushalte ein Abgabensatz von 15% gelten. Außer der Dynamisierung der Volkswirtschaft durch die enorme Erhöhung der Realeinkommen, werden durch die vorgeschlagene Reform:
- keine Sondersteuerregelungen mehr notwendig sein.
- Das Steuerrecht und die Sozialabgaberegelungen werden sehr vereinfacht.
- Rentenversicherungsträger und Pensionsregelungen für Beamten werden überflüssig.
 - Es wird ein enormer Bürokratieabbau stattfinden.
 - Milliarden von Staatsausgaben werden eingespart.
 - Mehrere Tausend Staatsbedienstete werden frei und für den florierenden privaten Sektor zur Verfügung stehen. Allerdings wird damit zu rechnen sein, dass die Steuerfandungsbehörde mehr und die Politiker weniger Beschäftigung bekommen werden.

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